Geschichte 40 Jahre DDR - Wisst Ihr was da los war?

Ringo

Well-known member
19 Mai 2006
57
2
Mit meinen Kumpels habe ich mich neulich über das Ende der DDR Diktatur unterhalten. Das kam alles im Zusammenhang mit Schäubles weiteren Angriff auf die freiheitlichen Grundsätze unseres Staates, das Prinzip der Unschuldsvermutung umzudrehen. Jeder ist erstmal verdächtig. Einer meinte, Schäuble macht den Anschein, er wolle eine neue Stasi aufbauen.
Daraufhin kamen wir auf das Ende der DDR-Diktatur. Wir konnten uns nämlich noch alle an die Bilder in den Nachrichten erinnern, als Stasi-Mitarbeiter vor laufender Kamera Leute aus den Demonstrationen für die Freiheit der DDR Bürger herauszogen und Journalisten verprügelten.

Aber was ging eigentlich ab? Mir wurde jetzt Deutschlandspiel empfohlen, einen guten Überblick über die politischen Zusammenhänge würde man dort bekommen. Vor allem weil der Film mit Zeitzeugen wie Krenz, George Bush senior usw. gemischt mit Schauspiel ist. Naja, sollte ich mir vielleicht mal holen. Wisst Ihr denn, ob sich der Film lohnt? Und: Wie viel wisst Ihr tatsächlich von den politischen Dramen, die sich nach dem 40 jährigen Bestehen der DDR abspielten?
 
Toller Thread

Ich war gerade mal 6-7 Jahre DDR Bürger - hab dementsprechend halt fast garnichts mitbekommen und finde den Thread schon jetzt ansprechend .. würde mich doch auch mal von der Älteren Generation interessieren, was Sie so gesehen / erlebt haben.
 
Das einzige, was ich mitbekommen habe (bzw. woran ich mich erinnern kann) ist der Auftritt von Mielke: "Ich liebe doch alle". Ansonsten habe ich als staatstreuer Pionier in meiner Kleinstadt nicht viel mitbekommen.
 
Meine Akte bzw. die Akte meiner Familie habe nie eingesehen.
Speziell für mich weiß ich nur eins. Ich wurde für Landeshochverrat oder wie auch immer das heisst zu 5 Jahren Haft verurteilt. Ist aber nie angewendet worden, da ich 1. nicht mehr in der DDR war und 2. ist die Wende dann auch dazwischen gekommen.
Meine Familie wurde drangsaliert und in Haft genommen, weil ich es gewagt habe, das Land zu verlassen.
Naja und so einiges anderes.

Aber es war nicht alles schlecht. Und es war nicht alles gut.
Genauso wie in diesem Land auch.
 
Mir wurde jetzt Deutschlandspiel empfohlen, einen guten Überblick über die politischen Zusammenhänge würde man dort bekommen. Vor allem weil der Film mit Zeitzeugen wie Krenz, George Bush senior usw. gemischt mit Schauspiel ist. Naja, sollte ich mir vielleicht mal holen. Wisst Ihr denn, ob sich der Film lohnt? Und: Wie viel wisst Ihr tatsächlich von den politischen Dramen, die sich nach dem 40 jährigen Bestehen der DDR abspielten?

Der Film lohnt sich auf alle Fälle. Hab ihn selber auf DVD und bin jedes Mal aufs neue begeistert.

1989 war ich gerade 14 und in den Herbstferien allein bei Schulfreunden in meiner alten Heimat Leipzig.
Trotz Verbotes der Eltern sind wir mittags in die Innenstadt gefahren um zu schauen, was rund um die Nikolaikirche los ist.
Es hat keine 10 Minuten gedauert bis uns ein (noch) freundlicher Vopo aufgerfordert hat, den Platz vor der Kirche zu verlassen.
In die Kirche, obwohl sie offen war, durften wir auch nicht.

Abends dann gab es wieder eine gewaltige Demo in der Innenstadt und eine Menge an Polizei und Militär war in den Strassen ...

Wenn man in der Schule damals immer gesagt bekommt, dass Helme, Schilder, Schlagstöcke und Wasserwerfer nur im "bösen" Westen gegen friedliche Demonstranten eingesetzt werden und sowas in der DDR nicht passieren würden, war man als junger Mensch schon stark von dem martialen Aufmarsch der Polizei, Stasi und NVA beeindruckt.

Was Akten der Familie angeht ...
Es existieren mehrere Berichte (in den Akten meiner Eltern gefunden) von Lehrern, Eltern von Mitschülern und Nachbarn über mich und meine Loyalität zum Staat.
Hintergrund: geplante Berufung auf die Kinder- & Jugendsportschule in Oberhof.
Hammerharte Formulierungen kommen da vor ...
"... redet offen über die Westverwandschaft ..." oder "... weigerte sich bei der Schuldisko die 60/40-Regelung einzuhalten ..." oder "... kritisch wie er sich mit unserem Staat im Unterricht auseinandersetzt, so unkritisch betrachtet der die kapitalistische BRD ..." usw. usw. usw.
 
Der Film lohnt sich auf alle Fälle. Hab ihn selber auf DVD und bin jedes Mal aufs neue begeistert.

1989 war ich gerade 14 und in den Herbstferien allein bei Schulfreunden in meiner alten Heimat Leipzig.
Trotz Verbotes der Eltern sind wir mittags in die Innenstadt gefahren um zu schauen, was rund um die Nikolaikirche los ist.
Es hat keine 10 Minuten gedauert bis uns ein (noch) freundlicher Vopo aufgerfordert hat, den Platz vor der Kirche zu verlassen.
In die Kirche, obwohl sie offen war, durften wir auch nicht.

Abends dann gab es wieder eine gewaltige Demo in der Innenstadt und eine Menge an Polizei und Militär war in den Strassen ...

Wenn man in der Schule damals immer gesagt bekommt, dass Helme, Schilder, Schlagstöcke und Wasserwerfer nur im "bösen" Westen gegen friedliche Demonstranten eingesetzt werden und sowas in der DDR nicht passieren würden, war man als junger Mensch schon stark von dem martialen Aufmarsch der Polizei, Stasi und NVA beeindruckt.

Was Akten der Familie angeht ...
Es existieren mehrere Berichte (in den Akten meiner Eltern gefunden) von Lehrern, Eltern von Mitschülern und Nachbarn über mich und meine Loyalität zum Staat.
Hintergrund: geplante Berufung auf die Kinder- & Jugendsportschule in Oberhof.
Hammerharte Formulierungen kommen da vor ...
"... redet offen über die Westverwandschaft ..." oder "... weigerte sich bei der Schuldisko die 60/40-Regelung einzuhalten ..." oder "... kritisch wie er sich mit unserem Staat im Unterricht auseinandersetzt, so unkritisch betrachtet der die kapitalistische BRD ..." usw. usw. usw.

Das ist total interessant! Danke für die Info. Eine Frage habe ich noch: Was ist denn mit der Einhaltung 60/40-Regelung gemeint?

Auf den Film Deutschlandspiel habt Ihr mich jetzt neugierig gemacht. Google sagt, der Film wurde mit dem Sonderpreis des Bayrischen Fernsehens bedacht. Die wählen ja eigentlich immer ganz gute Filme aus.
Die politischen Verkettungen bis hin zum Umbruch sind mir auch nicht geläufig. Falls mich jemand fragen würde, ich glaube es gäbe von mir nur einen rudimentären Auswurf. Traurig eigentlich. Schön allerdings: Die Bilder von den Menschen auf der Mauer und die Freudentänze sind mir prächtig in Erinnerung.
 
Was ist denn mit der Einhaltung 60/40-Regelung gemeint?

Das war eine (aus heutiger Sicht) witzige Sache.
Zum einen durfte man nicht einfach so auf "öffentlichen" Veranstaltungen als "DJ" auftreten, ohne vorher einen entsprechenden Lehrgang gemacht zu haben.
Für Amateure, die unregelmässig Discos veranstaltet haben, reichte ein 2-Tages-Lehrgang mit abschliessender "Prüfung" vor einem Kulturkommitee aus :biggrin:

Da musste man dann eine Auswahl von 5-6 Titeln vorspielen, die rythmisch zueinander passen musste UND (jetzt kommts) der 60/40-Regel zu entsprechen hatten.

Die Vorgabe war, dass bei "Discoveranstaltungen" 60% Ost-Musik und maximal 40% West-Musik gespielt werden durfte.
Das wurde auch knallhart überwacht.
 
Ist doch immer wieder interessant noch mehr zu erfahren, wie in der DDR mit Kultur umgegangen wurde. Wobei mich diese 60/40 Regelung gerade an die Franzosen erinnerte. Dort dürfen doch auch nur englischsprachige Songs bis zu einer bestimmten Quote gespielt werden. ;)
Deutschlandspiel hat mir selbst geholfen die Umstände von damals zu verstehen. Vor allem die Offenheit der Politiker aus allen beteiligten Ländern zur Wende hat mich beeindruckt. Aber die sind ja auch alle nicht mehr im Amt. Thatcher, Kohl usw.
 
Eigene Erfahrungen habe ich wenig, als die Mauer fiel war ich 4 Jahre alt. Aber ich habe schon noch mitbekommen, wie man eigentlich schon im Kindergarten die Kinder auf die NVA getrimmt hatte. Zumindest bei uns gabs da so ein paar Andeutungen.
Von dem Sohn eines Pfarrers in meinem Hematdorf weiß ich das die Lehrer wirklich ganz platt zu den Schülern gesagt haben:"Lacht den mal alle aus, der ist ja Pfarrerssohn und glaubt an Gott". Die Schüler haben dann auch noch weiter gemobbt bis hin zu solchen Geschichten das er sein Erbrochenes essen sollte. Hat natürlich kein Lehrer auch nur irgendetwas dagegen unternommen, nein das wurde ja sogar gefordert. Mein Vater war als Staatsfeind eingestuft und manche wissen vielleicht, das Vorbereitungen für den "Tag X" liefen, an dem man alle "Staatsfeinde" internieren wollte. Der Vater eines Klassenkameraden von mir sollte sogar an diesem Tag erschossen werden. Geht alles aus den Akten hervor, ist also keine Behauptung sondern Schwarz auf Weis nachzulesen.
Deswegen sage ich auch, wenn ich höre:"Es war nicht alles schlecht." Bei H****r war auch nicht alles schlecht. Oder waren die Autobahnen und die KdF-Fahrten nicht schön? Aber damit relativert man das Menschenverachtende Regime und die DDR war ein absolut Menschenverachtendes Regime. Aufpassen müssen wir nur das in der BRD nicht ähnliches passiert, nur mit besserer Technik.